E-Health
Studie: Bevölkerung ist weiter als die Politik
Die Corona-Pandemie hat der Nutzung von digitalen Gesundheitsangeboten einen Schub verliehen: Jeder Zweite misst seitdem seine Gesundheit mit Smartphone, App oder Smartwatch. 17 Prozent managen ihre Medikamenteneinnahme mit dem Handy. Weitere 16 Prozent scannen mit dem Handy ihr Rezept zur Online-Bestellung ein. Ebenfalls 16 Prozent greifen auf Online-Arztsprechstunden zurück.
Die Bevölkerung in Deutschland sei bei der digitalen Nutzung von Gesundheitsangeboten weiter als die staatliche Gesundheitspolitik, meint Dr. Alexander Schachinger, Leiter der Befragung, der Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern dringenden Nachholbedarf attestiert. "Es ist bisher nicht gelungen, eine nationale Strategie zu entwickeln, die sich zum Beispiel an den Erfahrungen von Großbritannien oder Dänemark orientiert."
Schachinger weist darauf hin, dass der E-Health-Markt in Deutschland in hunderte Einzellösungen zersplittert sei, die nicht zentral vernetzt sind und deshalb für die medizinische Forschung nicht nutzbar seien. "Das immer wieder verschleppte Einführen einer einheitlichen IT-Infrastruktur für eine elektronische Patientenakte führt zu einem völlig fragmentierten Marktgeschehen."
Professor Klaus Hurrelmann von der Hertie School Berlin, wissenschaftliche Begleiter der Studie, ergänzt: "Die deutsche Bevölkerung ist bereit für E-Health, aber die Politik liefert nicht. Wenn das so weitergeht, zeichnet sich der Ausverkauf der gesundheitlichen Vitaldaten der Bevölkerung in Deutschland ins Ausland ab. Schon heute wird der Einfluss vor allem der amerikanischen Internetkonzerne wie Google und Amazon immer stärker, weil sie sich über ihre Angebote Zugriff auf die Vitaldaten verschaffen und sich zusätzlich in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und der Gesundheitsversicherung einkaufen."
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Aufgrund der zu komplizierten Angebotslandschaft von digitalen Gesundheitslösungen ist deren Nutzung stark vom Bildungsstand und Nettoeinkommen abhängig. So würde der soziale Status in Deutschland bestimmen, ob Prävention und ärztliche Beratung in der Bevölkerung auch ankämen. Am Beispiel Online-Arztsprechstunde zeige sich: Bei Personen mit Abitur oder Studium wurde sie schon zu 20 Prozent genutzt, bei Personen mit Hauptschule zu 11 Prozent. Darüber hinaus bezahlt der Studie zufolge jeder Dritte Leistungen wie Online-Diagnostik, Gesundheitskurse und die Online-Arztsprechstunde ohne Erstattung aus eigener Tasche.
Marcel Kodura 09.12.2022