Jameda-Chef Florian Weiß: "Neutralität ist von allerhöchster Bedeutung"

Dr. Florian Weiss (Foto: Jameda)

Im Rechtsstreit zwischen einer Kölner niedergelassenen Dermatologin und dem Arztverzeichnis jameda, einem Münchner Unternehmen von Hubert Burda Media, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden, dass das Ärztebewertungsportal die Daten der Hautärztin vollständig löschen muss. 'Healthcare Marketing' sprach mit jameda-Geschäftsführer Dr. Florian Weiß über die Bedeutung des Urteils für sein Geschäftsmodell und die Rolle von Werbung auf der Plattform. Hier ein Auszug aus dem Interview, das in Ausgabe 3/2018 erschienen ist.

HEALTHCARE MARKETING: Herr Dr. Weiß, wie bewerten Sie die Begründung des Gerichts?
DR. FLORIAN WEIß: Die genaue Urteilsbegründung des BGH steht noch aus und wird in den kommenden Wochen erwartet. Wir begrüßen allerdings, dass die Bundesrichter bei der Urteilsverkündung die Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten in Kombination mit der Bewertbarkeit der Ärzte durch Patienten nochmals bestätigten. Damit haben sie dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit weiterhin einen hohen Stellenwert eingeräumt und uns die Möglichkeit gegeben, nach wie vor alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland zu führen. Lediglich die Einblendung von Ärzten in der Umgebung mittels eines Anzeigenbanners auf den Profilen von Nicht-Kunden, um die es im Urteil ging, bewertet der BGH nun anders. Aus diesem Grund haben wir diese Anzeigen umgehend von den Profilen entfernt.

HEALTHCARE MARKETING: Was bedeutet das BGH-Urteil für Sie als Portalbetreiber?
WEIß: Unser Ziel ist es, Patienten zum passenden Arzt zu führen und die Transparenz im niedergelassenen Bereich zu erhöhen. Vollständige Arztlisten sind für dieses Ziel wesentlich, weshalb wir schnell reagiert und die beanstandeten Anzeigen umgehend nach der Urteilsverkündung von der Plattform genommen haben. Die von den Bundesrichtern hervorgehobene Bedeutung der Neutralität des Plattformbetreibers ist für uns ohnehin seit Gründung ein wesentlicher Eckpfeiler all unseres Handelns: Selbstverständlich sind alle Rankings neutral und selbstverständlich sind Bewertungen nicht käuflich. Wir behandeln Nichtkunden und Kunden in diesen Fragen absolut gleich. Sollte die noch ausstehende detaillierte Urteilsbegründung wider Erwarten weitere Änderungen auf unserer Plattform erforderlich machen, werden wir diese natürlich sofort umsetzen.

HEALTHCARE MARKETING: Welche Änderungen des Geschäftsmodells ergeben sich daraus?
WEIß: An unserem Geschäftsmodell hat sich aufgrund des Urteils nichts geändert. Wir bieten Ärzten nach wie vor die Möglichkeit, sich mit einer Art Homepage den monatlich knapp sieben Millionen Patienten auf jameda ausführlich mit Fotos und Hintergrundinformationen zu präsentieren. Ganz wichtig dabei ist, wie oben bereits erwähnt, dass diese Premium-Einträge keinerlei Einfluss auf die Bewertungen oder das Ranking haben. Hierbei behandeln wir alle Ärzte gleich, völlig unabhängig von deren Kundenstatus.

HEALTHCARE MARKETING: Unter welchen Bedingungen ist ein Eintrag auf einem Bewertungsportal nun noch zulässig?
WEIß: Die Bundesrichter hielten auch dieses Mal an ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2014 fest und bestätigten die Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten. Mit dem Entfernen der entsprechenden Anzeigen ist die vollständige Listung aller niedergelassenen Ärzte auf jameda weiterhin rechtmäßig. Natürlich sind wir uns der besonderen Verantwortung bewusst, die mit der Listung und Bewertbarkeit aller Ärzte einhergeht. Daher setzen wir uns mit viel Engagement für authentische Bewertungen ein und haben eine Abteilung aus 20 Mitarbeitern, die eigens für die rechtliche Prüfung der Bewertungen verantwortlich ist.

HEALTHCARE MARKETING: Wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass die Neutralität trotz Werbung gewahrt bleibt?
WEIß: Ein Premium-Eintrag ist für Ärzte eine hilfreiche Möglichkeit, Patienten über ihre Leistungen zu informieren. Einen Einfluss auf die Bewertung und das Ranking hat ein Premium-Profil wie bereits erwähnt nicht. Anzeigenprodukte auf unserer Seite sind immer klar als solche gekennzeichnet und vollkommen unabhängig von unseren Ergebnislisten. Kontinuierlich durchgeführte Nutzertests belegen, dass dies auch Patienten auf unserer Seite so wahrnehmen. Für uns gilt: Die Neutralität unserer Plattform ist für uns von allerhöchster Bedeutung.

HEALTHCARE MARKETING: Rechnen Sie mit wegfallenden Einnahmen, weil Neukunden durch das BGH-Urteil verunsichert sind?
WEIß: Wir erwarten durch das BGH-Urteil keine Umsatzeinbußen. Vielmehr konnten wir in den letzten Wochen von nochmals deutlich gestiegenen Seitenaufrufen profitieren, was unsere Plattform für Ärzte noch attraktiver macht. Zusätzlich arbeiten wir an vielen spannenden Produkten: So erweitern wir derzeit unsere Arztsuche um weitere Qualitätsindikatoren, die Patienten helfen, noch einfacher den passenden Spezialisten für ihr Anliegen zu finden. Ärzte können so noch zielgerichteter die passenden Patienten für ihre Praxis ansprechen. Die neue Arztsuche stellen wir bereits im Frühjahr vor. Im April ergänzen wir unsere Online-Terminlösung für Ärzte mit einem umfassenden Terminkalender, der für alle Termine genutzt werden kann – egal ob diese persönlich, telefonisch oder online vereinbart wurden.

Die Fragen stellte Birte Schäffler

Das gesamte Interview sowie eine Erläuterung des BGH-Urteils von Rechtsanwältin Dr. Heike Freund von CMS Deutschland lesen 'Healthcare Marketing'-Abonnenten in der März-Ausgabe 2018. Hier geht es zur Bestellung.

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Birte Schäffler 04.04.2018